„Loving Vincent“ ist der erste Film, der vollständig aus Ölgemälden besteht. Über 100 Maler haben dafür mehr als 65.000 Bilder produziert. Loving Vincent MünchenKürzlich machte Vincent van Gogh Schlagzeilen, weil in seinem Gemälde Olivenbäume bei den Vorbereitungen zu einer Ausstellung die Überreste einer Heuschrecke entdeckt wurden. Sie muss ihm beim Malen in der freien Natur zwischen Pinsel und Leinwand geraten sein. Dass man das Insekt 130 Jahre lang nicht in der Farbe entdeckt hat, spricht dafür, dass es sich lohnt, auch bei den alten Meistern immer wieder genau hinzusehen. Im Kinojahr 2017 haben wir viele Filme über Künstler und speziell über Maler gesehen. Aber keinen wie Loving Vincent. Die Handlung des Films erscheint zuerst einmal nicht übermäßig aufregend, vor allem wenn man mit der Lebensgeschichte des niederländischen Malers vertraut ist und um die bis heute mysteriösen Umstände seines Todes weiß. Ausgehend davon stricken die Regisseure Dorota Kobiela und Hugh Welchman eine Art Detektivgeschichte. Ein Brief des mittlerweile verstorbenen Vincent taucht auf, der seinem Bruder zugestellt werden soll. Die geplante Übergabe entwickelt sich immer mehr zu einer Ermittlung. Das Besondere dabei: Loving Vincent ist der erste Film, der komplett in Öl gemalt wurde. Zwar schlüpfen echte Schauspieler in die verschiedenen Rollen, laufen in Kulissen und vor Greenscreens auf und ab – die Aufnahmen dienen jedoch nur als Grundlage für 125 Künstler, die in insgesamt 65.000 Ölbildern van Goghs Stil imitieren. Was wir als Endresultat betrachten, ist eine Abfolge hochauflösender Fotografien dieser Bilder. Dass jeweils zwölf davon lediglich eine Sekunde Film ergeben, lässt den immensen Aufwand des Entstehungsprozesses erahnen: Jeweils der erste Frame einer Einstellung wurde auf eine Leinwand gebracht und fotografiert. Anschließend wurden Schritt für Schritt die beweglichen Teile des Bildes übermalt. Im fertigen Film sorgt diese Methode dafür, dass man an einigen Stellen das Häufen und Kräuseln der Farbschichten beobachten kann; sie erwachen dann gewissermaßen zum Leben. Loving Vincent KölnDiese Sinnlichkeit ist schon Grund genug, Loving Vincent auf der großen Leinwand zu sehen. Bereits während des Vorspanns formen sich begleitet von der fragilen Musik Clint Mansells ineinanderfließende Farben zu den für van Gogh charakteristischen Strudeln und Wirbeln. Es ist, als könne man die in dicken Schichten aufgetragenen Farben berühren, die Struktur der einzelnen Pinselstriche fühlen. Douglas Booth spielt Armand Roulin, den Sohn eines mit dem Maler befreundeten Postboten (Chris O’Dowd). Er soll den Brief an dessen Bruder Theo van Gogh übergeben und trifft während der Suche auf Leute, die Vincent persönlich kannten. Sie erzählen ihm von den nur acht Jahren, in denen aus einem Amateur ein obsessiver Künstler wurde, der in dieser Zeit über 800 Gemälde schuf. In diesen Flashbacks sind die Bilder schwarz-weiß. Sie setzen sich aus wesentlich feineren Strichen zusammen, erscheinen beinahe fotorealistisch. In diesen Momenten verschwimmt beim Betrachter das Gefühl dafür, ob er einen Film sieht, Fotografien oder Malereien betrachtet – und irgendwie stimmt ja auch alles zugleich.
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Abril 2019
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